RÄUMEN IM GRÜNEN  HAUS Hans-Werner Bott
Andreas Erdmann und Carmen Biste
Installation im Grünen HausInstallation im Grünen Haus
Die Wege spielen eine Rolle in den Außenarbeiten des Kölner Künstlerpaares Carmen Biste und Andreas Erdmann; die Wege, ihr Gedächtnis,ihr Mythos, ihre Bilder: E 4, Route 66, Fährten, Passagen, Wechsel: im Städtebild sind es die Unübersichtlichkeiten, die Ungewißheiten, die Ausblicke eröffnen, An diesen Stellen verschwindet das Provinzielle, an anderen, wie dem Chlodwigplatz, wird Provinz geschaffen, weil die enge Sicht, aus der geplant wird, so deutlich ist.

Am Barthonia Forum wiederum entsteht eine großstädtische Provinz: wenn nachts der Platz wie der Marktplatz einer Kleinstadt auftaucht, wähnt sich der Spaziergänger im Fremden und erblickt die feine Kölner Kontur, so neu und überraschend ist der Platz. Mit Größenordnungen hatten die Projekte im und um den Kiosk am Kaiser-Wilhelm-Ring, zwischen den Versicherungsgebäuden im Durchgang zum Mediapark, zu tun. Mit Klein-Großverschiebungen erhielt der Großstadtmythos ein Bild, das oft genug den steckengebliebenen futuristischen Entwurf des Media-Park karikierte.

Wer wünscht sich nicht, daß der glitzernde Klotz mit der virtuellen Netzhaut endlich funktioniert. In den Arbeiten der beiden Künstler, die aus dem kleinen, grünen, ehemaligen Kiosk eine Chiffre machten, werden die Zufälligkeiten spürbar, wie wir sie in den großen Städten erfahren können.

Dass etwas vom Bild zur Chiffre wird, ist durch einen Prozeß erfahrbar. Vor einem Atelier am Klapperhof stand auf der Eingangstreppe ein Vogelhaus auf einem Birkenstamm. Ein Bild wie ein Buchstabe, ein Buchstabe als Bild, das mit dem Werk des Künstlers verknüpft wird und dem Umstand, daß es einen Ateliereingang und in der Erinnerung das Weiterziehen kennzeichnet. Andreas Erdmann nutzt diese Zeichen in der Sprache seiner Zeichnungen und
Installationen. Der geringe Aufwand eines Vogelhauses ist am ehesten dem Zelt als der flüchtigsten menschlichen Behausung vergleichbar oder eben einer brüchigen Kiosk-Hütte. Erdmann und Biste versammelten in den Installationen dort auch Bestandteile, die auf eine existenzielle Unbehausung verwiesen. In der letzten Installation 'Über

Nacht', am 8.11.96, war im Hintergrund des Kiosk ein aufgeschlagenes Bett, davor ein Buch zu sehen mit dem Titel;'Besser zeichnen können: Fahrzeuge Schiffe Flugzeuge', vorne stand ein silbernes Häuschen, aufgefaltet aus Pappe, in dem eine Alarmlampe durch zwei Fensteröffnungen rotes Signallicht gab. Soziales Desaster verbindet sich mit einer humorigen Anmerkung zu einer Poesie, die die Situation des Künstlers als eine spezielle Not in die Not der Unwirtlichkeit der Städte einbindet. Vor dem Kiosk verbrannten die beiden Künstler in einer roten Tonne Abfälle, Holz etc. und erzeugten Feuerschein und Wärme, wie es die Menschen, die auf der Straße leben, brauchen. Aber nicht nur die, wir können das ruhig gefühlvoll betrachten, denn wir alle brauchen im Herzen ja Wärme und Licht. (im Englischen Patienten" heißt es: '...denn das Herz ist ein Feuer.')

Ein Feuerchen heizt unserer Vorstellung von Abenteuer, Schönheit. Leidenschaft an. Was als touristisches Klische eingesetzt wird, beamt uns also in verschiedene Richtungen und wirkt nach, wenn wir dann tatsächlich vor Ort im Lokalteil der New York Times vom Tod der Homeless lesen, die in ihrem Feuer unter den Brücken verbrannten. Ich begreife das Prozesshafte, das die Chiffre in dieser Kunst auslöst, indem ich auf einer Zeitachse wandle: vom Kennenlernen des Symbols vor dem Klapperhof-Atelier und dem Eröffnungsritual an der Kioskinstallation zum Rückblick von irgendeinem Ziel, das das Bild der Installation auslöste (es hätten auch Schnapshäuschen in Seoul sein können, an denen die Spaziergänger sich an warmen Abenden versorgen). Der Ort bringt zum Sprechen und wird zur Sprache gebracht - im Unterschied zu den Bildertafeln, die die Stadt gegen Toilettenhäuschen eintauschen will und die Sprachlosigkeit erzeugen. Mehr als Bilder der Innerlichkeit sind die Häuser in den Installationen und Zeichnungen von Andreas Erdmann ja Bilder der Kommunikation.

In einem Gedicht von Manos Tsangaris (zu lesen im jüngsten, von Thomas Kling herausgegebenen Heft der "Akzente") heißt es zu Beginn: "Die Häuser über den Tischen - gesprochen selbander - und mit dem Sprechen - kleine Häuser gebaut - in die Luft, ins Ohr, - die gern gestört werden dürfen, - Gelegenheiten lüften sich / der Dachstuhl, der Erker, - und jemand schlägt gegen die Wände, - was kurzzeitig zu Einsturz führt." Lüften und kurzzeitiger Einsturz, das sind ja die Wirkungen, die ein Kunstwerk am besten auslöst. Insofern sind die beiden Zeitgenossen Baumeister von gleicher Art. Die Fotografien von Carmen Biste bauen mit an diesem Eindruck. In 'Über Nacht' sind es Straßenbilder, die wie Fenster im grünen Haus wirken und zwischen den Häuserfronten der anliegenden Versicherungen eine zusätzlichen Raum öffnen. Das tun auch die Dinge, die im Mittelpunkt stehen, die den Kern im Gehäuse bilden und Wechsel und Wandlung anschieben: in "zu Hause willkommen" ist es die bedachte Filmkamera, auf einen Kinderwagen montiert (
smileatme). Umstülpen von Zeit und Größenordnung bewirkt, ein Vehikel, mit dem allerdings nur reist, wer innehält und sich ein wenig in den Raum im "Grünen Haus" versenkt, in das "Räumen", das da vor sich geht zwischen Materialen am Kern, Silikongummihaus und zylindrische Holzträger, und Fotografie an den Wänden und den Bildern des Außen. Das Räumen bringt Wahres hervor: z.B., daß das Haus der Poesie die Not und Widrigkeit braucht, um zu entstehen und daß wir das Gedicht und das poetische Denken brauchen, um ein Heim zu haben. Sobald der Kiosk abgerissen ist, wird es einen anderen Ausdruck geben für diese Not, vielleicht so mobil wie die Pappeinheiten, die Paul Virillo und Studenten für Nomaden und Clochards der Stadt Paris planten können.


copyright / Rechte an allen Bildern/Videos: Andreas Erdmann / thisartproject,Köln/
VG Bild-Kunst, Bonn, 2000
copyright Text: Hans-Werner Bott, Köln, 1997

aus: "Kölner Skizzen" 19.Jahrg./Heft 2, 1997

zurück